Lifestyle – Warum ich eine Schönheitsoperation gemacht habe
In den Sozialen Medien, ganz besonders auf YouTube, wird in den letzten Wochen über das Thema Schönheitsideale gesprochen und welche gefährlichen Trends aufgekommen sind und durch Plattformen wie Instagram noch verstärkt werden. Natürlich haben Menschen schon immer nach bestimmten Idealen gestrebt und haben Operationen in Kauf genommen, um ihr Aussehen zu verbessern und ihren Idolen ähnlicher zu sehen.
In meinen Teenagerjahren haben wir noch durch Zeitschriften geblättert, inzwischen werden Schönheitsoperationen in den Insta-Stories beworben und Rabattcodes gibt es zusätzlich. Oftmals unreflektiert und ohne auf die etwaigen Risiken einzugehen. Wer mehr über das Thema wissen will, dem empfehle ich euch folgende drei Videos:
- Alicia Joe: Warum Influencer alle gleich aussehen & Schönheits-OPs nicht feministisch sind
- Klein aber Hannah: Die Macht der Filter – Teil 1
- Klein aber Hannah: Wenn Filter nicht mehr reichen – Teil 2
Meiner Meinung nach ist das alles extrem gefährlich, weil es oft junge Mädchen sind, die mit sich selbst und ihren Körpern unzufrieden sind und dann finden sie bei ihren liebsten Influencerinnen Berichte über Nasenkorrekturen, Brustvergrößerungen und Behandlungen mit Botox oder Hyaluron, die richtiggehend beworben werden. Grenzwertig. Aber das hier soll kein Aufklärungsbeitrag werden, ich will euch einfach erzählen, weshalb ich mich mit 16 Jahren einer Schönheitsoperation unterzogen habe, was ich daran bereue und ob ich es wieder machen würde.
Ich leide seit meiner Geburt an einer schweren Sehbehinderung, die fortschreitend ist und irgendwann zur völligen Erblindung führt. Mit dieser Erkrankung gehen andere Dinge einher, wie das ständige Zittern meiner Augen und weil mein linkes Auge von Anfang an nur 5 Prozent Sehkraft hatte, hatte ich eine starke Fehlstellung. Ich habe geschielt. Und dieser Makel hat mir meine Schulzeit zur Hölle gemacht.
Vom Tag meiner Einschulung hatte ich meinen Spitznamen weg: Schieler. Meine Mitschüler haben sich ständig über mich lustig gemacht und ich war eine absolute Außenseiterin. In der Grundschule hielt sich das noch relativ in Grenzen, aber mit dem Wechsel aufs Gymnasium wurde es schlimmer und irgendwann entwickelte ich eine richtiggehende Angst davor, zur Schule zu gehen. Ich wollte nicht mehr ausgelacht werden, keine Lästereien mehr ertragen, ich war psychisch am Ende. So begann für mich ein wahrer Strudel aus Selbsthass, selbstverletzendem Verhalten und Selbstmordgedanken. Nichts wollte ich mehr, als ein ganz normales Mädchen sein, das unbehelligt im Unterricht sitzt, aber so war es nicht.
Schließlich wurde ich zur Schulpsychologin geschickt, der ich davon erzählt habe, was meine Mitschüler und Mitschülerinnen mir antun und sie schlug vor, mich operieren zu lassen, um diesem Kreislauf zu entkommen und schrieb mir sogar eine Empfehlung für die Krankenkasse, da die Korrektur meiner Augenfehlstellung als Schönheitsoperation galt und solche Eingriffe nicht von der Kasse übernommen werden.
Ich ließ die Operation machen, ertrug die schrecklichen Schmerzen und die Folgen der Behandlung. Wochenlang musste ich eine spezielle Brille tragen, um sicher zu gehen, keinen Fremdkörper ins Auge zu bekommen und eine Entzündung auszulösen. Die Gläser der Brille ließen sich wechseln und anfangs waren es blickdichte, damit niemand sehen musste, wie mein Auge aussah. Es war nicht nur blutunterlaufen, das gesamte Augenweiß war rot. Es sah furchtbar aus und ich schämte mich furchtbar.
Gern würde ich jetzt behaupten, dass danach alles anders wurde, aber das stellte sich leider als Irrtum heraus. Das Schielen kehrte zurück, da sich an der schlechten Sehkraft meines linken Auges nichts änderte und ich nun mal nur das rechte benutze. Zwar wurde es nie so schlimm wie früher, aber es ist immer noch da. Auch die Hänseleien ließen nicht nach. Der Spitzname blieb und schließlich brach ich mein Abitur ab, weil ich es nicht mehr ertrug, jeden Tag zur Zielscheibe für die boshaften Kommentare anderer zu werden.
Später holte ich meinen Abschluss an einer anderen Schule nach, an der sich ebenfalls über meine Sehbehinderung lustig gemacht wurde. Dieses Thema verfolgt mich seit meinem siebten Lebensjahr und es wird mich immer begleiten, das habe ich inzwischen begriffen. Die Sehbehinderung ist ein Teil von mir und es wird immer Menschen geben, die sich deshalb über mich lustig machen, aber jetzt habe ich die Kraft, besser damit umzugehen.
F: Bereue ich die Operation?
A: Ja und nein. Ich bereue es sehr, dass andere Menschen mich dazu gebracht haben, mich selbst so stark zu hassen, dass es bis heute nachhallt. Ich bereue es, diese Operation gemacht zu haben, um von anderen akzeptiert zu werden. Aber die Operation an sich bereue ich nicht. Auch wenn ich immer noch leicht schiele, habe ich es heute unter Kontrolle. Auf Fotos sieht es nicht jeder sofort und auch in kurzen Gesprächen schaffe ich es, nicht zu schielen. Trotzdem wünsche ich mir immer noch, die Ursache meiner Sehbehinderung bekämpfen zu können, statt nur ihre Folgen.
F: Was war das schlimmste an der Operation?
A: Wie lange die Heilung gedauert hat. Sechs Wochen musste ich diese spezielle Brille tragen, durfte nicht schwimmen gehen und musste immer wieder Übungen machen, damit sich der Muskel, der verlängert wurde, nicht wieder verkürzt. Es war eine anstrengende und unschöne Zeit, aber rückblickend hat mir die Situation viel darüber gezeigt, wer ich war, wer ich sein will und wie ich mit der Ablehnung anderer Menschen umgehen sollte.
F: Würde ich die Operation noch einmal machen?
A: Ja, aber dieses Mal nicht, um Mobbing zu entkommen oder mich zugehörig zu anderen zu fühlen, sondern für mich selbst. Wahrscheinlich auch erst später, außerhalb der Schule, um den Kommentaren zum Thema Schönheitsoperationen zu entgehen.
F: Würdest du noch eine Schönheitsoperation machen lassen?
A: Nicht, wenn es keine medizinische Relevanz hat. Liposuktion (Fettabsaugung), um beim Lipödem die Schmerzen zu reduzieren wäre für mich ein Grund für eine OP oder wenn ich psychisch stark unter etwas leide wie Schielen, ungleiche, deformierte Brüste oder ähnliches, aber keine Nasenkorrektur oder das Aufspritzen von Falten. Ganz einfach, weil ich bisher schon mehrere medizinische notwendige Eingriffe hatte und weiß, wie gefährlich sie sind und wie sehr mein Körper darunter leidet. Jedes Mal sind Wochen vergangen, bis ich mich halbwegs wieder gut gefühlt habe und nach einer Operation stellten sich Komplikationen ein, die für mich auch psychisch schwer zu bewältigen waren.
Ganz ehrlich, ich verstehe, weshalb sich Menschen unters Messer legen, um besser auszusehen, denn es ist unsere Gesellschaft, die diese Schönheitsideale fördert und vorantreibt. Aber auch wenn ich mit meinem Aussehen nicht hundertprozentig zufrieden bin, verknüpfe ich doch mein Aussehen auch mit meiner Persönlichkeit. Ich will nicht aussehen, wie jemand anderes, will nicht irgendwelchen Trends hinterherjagen, die sich in fünf Jahren vielleicht ins komplette Gegenteil verkehrt haben.
Bitte vergesst niemals, dass Schönheit etwas Subjektives ist. Und nur, weil ihr einen Eingriff machen lasst, fühlt ihr euch danach nicht plötzlich wohl in euren Körpern. Oft entwickelt sich diese Eingriffe sogar zur Sucht, weil die Menschen glauben, nach dem nächsten war es das, dann fühle ich mich hübsch. Aber das ist ein Trugschluss, weil diese Unzufriedenheit oftmals einen völlig anderen Grund hat. Doch das hat an dieser Stelle keinen Platz.
Überlegt es euch gut, ob ihr euch unters Messer legt oder eine Spritze ins Gesicht stecken lasst. Die Risiken sind nicht gerade klein, auch bei „minimal invasiven“ Eingriffen wie Botox – und vor allem Hyaluron – ist Vorsicht geboten.
Aber am wichtigsten ist, dass ihr nicht irgendwelchen Schönheitstrends hinterherlauft. Falten zu haben und älter zu werden ist etwas vollkommen Natürliches und nichts, für das ihr euch schämen müsst. Ihr alle seid Individuen und seht unterschiedlich aus, was gut so ist. Weil ihr auch eigenständige Persönlichkeiten seid. Verwandelt euch nicht in jemand anderen, um gemocht zu werden, bleibt ihr selbst.
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