Kritisch hinterfragt: Mein Körper, meine Entscheidung?
Die Beiträge auf meinem Blog sollen sich nicht nur um das Schreiben, meine Bücher und meinen Alltag drehen. Ich will auch aktuelle Themen aufgreifen, euch informieren und dazu Stellung beziehen. Deshalb gibt es die Kolumne „Kritisch hinterfragt“.
Das Herzschlag-Gesetz
Am Mitwoch den 01. September 2021 trat in Texas ein neues Gesetz in Kraft, das als „Herzschlag-Gesetz“ bekannt wurde. Es ist heftig umstritten und wird sogar vom US-Präsident Joe Biden abgelehnt. Aber worum geht es genau?
Dieses Gesetz sorgt dafür, dass jede Abtreibung, die nicht medizinisch impliziert ist (Zum Beispiel, wenn durch eine Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdet ist), ab dem Zeitpunkt illegal ist, an dem der Herzschlag des Fötus nachgewiesen werden kann. Das ist schon ab der sechsten Schwangerschaftswoche möglich. Problematisch daran ist, dass die meisten Frauen noch gar nichts von der Schwangerschaft wissen und somit nicht entscheiden dürfen, ob sie das Kind behalten wollen oder nicht. Schlimmer noch: Auch Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigungen und Inzest sind illegal.
Bürgerinnen und Bürger aus Texas können alle Beteiligten anzeigen, die zu einer Abtreibung beitragen. Dafür erhalten sie eine Prämie von 10.000 US Dollar, während die Beklagten genau diese Summe an Strafe zahlen. Demzufolge wäre es sogar möglich, wenn ein Vergewaltiger, das Opfer seines Übergriffes anzeigt, nachdem dieses eine Abtreibung vollzogen hat. Und ja, dafür würde er sogar eine Prämie erhalten.
So vieles an diesem Gesetz ist einfach absolut falsch. Angefangen von der Tatsache, dass jeder Schwangeren so das Recht genommen wird, über ihren eigenen Körper zu bestimmen. Über das Thema Abtreibung kann jeder denken, was er will, aber keine andere Person außer ich selbst hat das Recht, mir zu sagen, ob ich meine Schwangerschaft abbrechen darf oder nicht.
Die Folgen eines Abtreibungsverbotes
Damit jeder begreift, was es bedeutet, dieses Rechts beraubt zu werden, möchte ich euch Bild davon malen, was passiert, wenn Abtreibungen illegal wären.
Dir war seit über einer Woche schlecht. Deshalb bist du in die Drogerie gegangen und hast dir einen Schwangerschaftstest geholt. Und da liegt er nun, dieser blöde Plastikstreifen, mit dem Ergebnis, das dein Leben aus der Bahn wirft. Positiv. Du bist schwanger. Doch damit hast du nicht gerechnet und du willst es nicht, dieses Kind in dir. Sei es, weil du für dich entschieden hast, niemals Kinder zu bekommen. Oder weil dieses Kind dich an ein traumatisches Ereignis erinnert. Oder du nicht die Mittel und die Kraft hast, dich um jemand anderen zu kümmern außer dich selbst.
Deshalb gehst du zum Arzt und hoffst, bangst, dass es vielleicht noch nicht zu spät ist. Kein Herzschlag. Bitte kein Herzschlag, denkst du noch. Doch der Ultraschall zeigt es ganz deutlich: Er ist da. Es iust zu spät. Du bist in der elften Schwangerschaftswoche. Die Ärztin gratuliert dir, doch deine Kehle schnürt sich zu. Deine Hände zittern und du bekommst keine Luft, kannst nicht atmen. Verzweiflung kriecht in dir hoch. Und als du endlich allein bist, brichst du zusammen, weil du einfach nicht mehr weiterweißt. Was sollst du jetzt bloß tun? Du weißt nur eins: Dieses Kind kannst / willst du nicht haben. Unter keinen Umständen.
Zwar sind Abtreibungen verboten, aber im Internet steht immer noch etwas darüber, also machst du dich schlau. Doch eine Anleitung gibt es nicht, also hörst du dich um. Ein Kleiderbügel soll funktionieren, wird dir hinter vorgehaltener Hand geraten. Aber du musst vorsichtig sein. Und da ist so ein Typ, der dir vielleicht helfen kann. Also schleichst du ein paar Tage später durch die schmale Gasse und betrittst den Hinterhof. Sieht nicht aus wie bei einem Arzt, aber das ist der Mann schließlich auch nicht. Kein Arzt und keine Ärztin würde es noch wagen, eine Schwangerschaft abzubrechen. Du zahlst zweihundert Euro und bekommst eine Spritze , durch die du einschläfst. Als du wieder aufwachst, hast du Schmerzen und blutest schrecklich. Auch nach ein paar Tagen geht es dir nicht besser. Du hast Schüttelfrost und Fieber. Irgendwann gehst du zum Arzt, sie helfen dir, obwohl sie wissen, was du getan hast. Die verurteilenden Blicke kannst du kaum ertragen. Sobald es dir besser geht, lässt du bei deiner Frauenärztin überprüfen, ob es geklappt hat. Immerhin bist du fast deshalb gestorben.
Doch da ist er, laut und deutlich. Der Herzschlag deines Babys. Jetzt bist du vollkommen verzweifelt. Wie ist es möglich, dass dich dieser Pfuscher fast umgebracht hat, aber das Kind in dir immer noch lebt? Was sollst du jetzt machen? Was kannst du noch machen? Mit jedem Tag, der vergeht, wird das Leben in dir stärker, saugt es aus dir raus, bis du schließlich keinen anderen Ausweg mehr siehst. Denn wenn du nicht lebst, wird es das Kind in dir auch nicht mehr.
Meine Meinung
Ich weiß, diese Geschichte ist vollkommen überspitzt. Allerdings beruht jede dieser einzelnen Entscheidungen sie auf Fakten. 2015 wurde in Tennessee eine Frau nach versuchter Selbstabtreibung mit Kleiderbügel-Draht wegen versuchten Mordes vor Gericht gestellt. Immer noch sterben tausende Frauen, wegen Pfusch bei einem Schwangerschaftsabbruch. Andere leiden Höllenqualen, weil ihnen das Recht verwehrt wird, über ihren eigenen Körper zu bestimmen.
Mit diesem Beitrag will ich euch keine Meinung diktieren. Wenn ihr gegen Abtreibungen seid, ist das euer gutes Recht. Ich will nur, dass ihr ein wenig Verständnis zeigt. Denn nur weil eine Schwangere abtreiben lässt, ist sie kein Monster oder gar eine Mörderin. Sie nimmt ein Recht wahr, das ihr niemand verwehren sollte.
Ich wüsste nicht, ob ich das Kind eines Mannes austragen könnte, der mir Unaussprechliches angetan hat. Ich wüsste nicht, ob ich als Teenager in der Lage gewesen wäre, mich um ein Baby zu kümmern. Ich wüsste nicht, wie ich mich entscheiden würde, wenn ein Arzt mir sagt, dass mein Baby schwerstbehindert wird und nur unter Qualen leben kann.
Ich hoffe, ich werde niemals in die Situation kommen, eine solche Entscheidung zu treffen. Aber wenn, dann ist es meine eigene. Ich bestimme selbst über meinen Körper und das lasse ich mir nicht wegnehmen.
Wie denkt ihr über Abtreibung? Und was haltet ihr von dem Gesetz in Texas? Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass es auch andere US-Bundesstaaten und Länder betrifft. Unter anderem Irland. Selbst in Deutschland ist Abtreibung illegal, allerdings wird es strafrechtlich erst bei einem Schwangerschaftsabbruch ab der 12. Schwangerschaftswoche verfolgt.
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